Denkmal für die Opfer der Euthanasieverbrechen der NS-Zeit in Bucher Krankenanstalten.

Zusammenarbeit mit Bildhauer Rudolf J. Kaltenbach

Denkmalgestaltung vorderer Bereich: polierte Gesteinsplatten aus Gabbro. Weitere Informationen unter:

Kinder für Kinder

Denkmal für die Kinder der Zwangsarbeiter_innen, die in Berlin-Buch während der NS-Zeit von den Nazis getötet wurden.

 

Das Denkmal aus Granit, Marmor, Labradorstein entstand 2014 in Zusammenarbeit mit Bildhauer Rudolf J. Kaltenbach.

Hintergrund:

 

 

Die Geschichte des Berliner Vorortes Berlin-Buch spiegelt in hohem Maße die Medizingeschichte des 20. Jahrhunderts mit all ihren Höhen und Tiefen in Deutschland wider.

Auf vieles kann mit Stolz zurückgeblickt werden und gerne wird auch erwähnt, dass in den ersten vier Jahrzehnten des vorigen Jahrhundert auf Bucher Territorium einmal die größten Krankenanstalten Europas, wahrscheinlich der gesamten Welt, ihren Standort hatten.

Mit Hilfe des Internets braucht es nur ein paar Stunden Geduld um festzustellen, dass die größte deutsche psychiatrische Heil- und Pflegeanstalt, eröffnet 1906 auf damals noch Brandenburger Gebiet, ebenfalls in Buch beheimatet war.

Sie wurde am 31.10.1940 geschlossen. Fast alle Patienten sind im Rahmen der von einigen wenigen Männern der NS-Regierung ohne jede gesetzliche Grundlage angeordneten „Aktion Gnadentod“ im selben Jahr in Tötungseinrichtungen verlegt und ermordet worden.

Die sogenannte >wilde Euthanasie< wurde bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges fortgesetzt und ist in Buch an Hand der überdurchschnittlich hohen Zahl der Sterbeurkunden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Bei vorsätzlichen Tötungen von Patienten wurde eine der Grunderkrankung nahe Todesursache auf der Sterbeurkunde vermerkt.

An den Vorbereitungen der Mordaktion, getarnt als „Gnadenakt“ an chronisch Kranken, waren NSDAP treue Mediziner maßgeblich und beratend beteiligt. Zu ihnen gehörte auch der Ärztliche Direktor der Bucher Heil- und Pflegeanstalt, Dr. Wilhelm Bender. Keiner von ihnen widersprach dem mörderischen Vorhaben.

Nach dem Ende des verheerenden Zweiten Weltkrieges und dem Untergang der nationalsozialistischen Regierung wurden die Krankenanstalten in Berlin-Buch neu strukturiert und moderne Fachkliniken eingerichtet.

Die DDR-Regierung beschloss Anfang 1960, die Bucher Kliniken zum „Flaggschiff“ der DDR-Medizin zu formieren und erneut zu Europas größtem Krankenhausstandort zu entwickeln.

Ein Rückwärts gewandter, kritischer Blick war nicht gefragt. Er wurde weder von den Einwohner von Buch, noch den Mitarbeitern der Gesundheitseinrichtungen gefordert. Diese Haltung wird eindeutig durch Archivmaterial des Staatssicherheitsdienstes der DDR und der Staatsanwaltschaft Berlin aus den Jahren 1965 bis 1968 belegt.

Bis heute haben es die verantwortlichen Institutionen versäumt, die Geschichte der NS-Zeit und die an Patienten begangenen Verbrechen in Buch aufzuarbeiten.

Lediglich für die kindlichen Opfer der Hirnforschung wurde im Herbst des Jahres 2000 auf der Anlage des Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin am Lindenberger Weg, es ist der ehemalige Standort des Kaiser-Wilhelm-Institutes für Hirnforschung, ein berührendes Mahnmal der Bildhauerin Franziska Schwarzbach für die >Toten Kinder< enthüllt.

Wie viele Wissenschaftler in der NS-Zeit hatten auch die Mitarbeiter dieses Institutes wenig oder keine Hemmungen die Gehirne von behinderten Menschen, die unter biologistischen und volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten von Medizinern ausgesondert und zu tausenden zur Tötung ausgewählt wurden, für die Forschung zu nutzen.

Ebensowenig wurde dem Schicksal von mehr als tausend Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen nachgegangen, die in Bucher Lagern oder Kleinbetrieben untergebracht waren. Viele von ihnen arbeiteten in den Bucher Krankenhäusern, dem Werk Buch und in der Landwirtschaft.

Besonders schwer war die soziale Situation der Ost-Arbeiter. Aber „Wir waren immer gut zu denen“, so haben es die wenigen, heute noch lebenden Zeitzeugen in Erinnerung.

Über 400 Zwangsarbeiter und deren Kinder aus Lagern in Berlin und der näheren Umgebung starben in Bucher Kliniken.//

Ein weiteres, bisher unbeachtetes, totgeschwiegenes sowie unerforschtes Thema ist das Schicksal einer großen Zahl chronisch kranker Patienten, die von Buch aus, getrennt von ihren Angehörigen und in fast allen Fällen gegen ihren Willen, unter unmenschlichen Transportbedingungen in schlecht ausgestatte Heime östlich der Oder verlegt wurden.

Im eiskalten Winter Anfang 1945 wurde angesichts der vorrückenden Roten Armee das deutsche Pflegepersonal nach Berlin-Buch zurück beordert und die Patienten ihrem Schicksal überlassen.

Die Geschichtsschreibung hat sie vergessen.

2003/2004 bemühte sich eine kleine private Gruppe, Frau Dr. Hannelore Dege und Rosemarie Pumb, mit Unterstützung des Leiters Akademie der Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V., Herrn Jens Reinwardt, sowie neun angehenden Ergotherapeuten, Schüler der zuvor genannten Akademie, an die von Medizinern und Pflegepersonal tausendfach an Patienten verübten Verbrechen mahnend zu erinnern und gleichzeitig der Frage nachzugehen, welche sozialen, ökonomischen und politischen Gegebenheiten die einst erlernten, moralisch-ethischen Grundsätze der Täter und Mittäter so weitgehend außer Kraft setzen konnten, dass die Tötung ihrer Patienten (oder die Mithilfe an ihrem Tod) zu einem alltäglichen Geschäft geworden ist. Im Ergebnis der Arbeit dieser kleinen Gruppe konnte mit privaten Mitteln eine bescheidene Gedenktafel, eine Broschüre >In den Tod geschickt< und die heute leider nur noch rudimentär vorhandene Dauerausstellung zum Thema „Euthanasie“ auf den Weg gebracht werden. Rosemarie Pumb hat zwei weitere Schülerprojekte am früheren Gauß-Gymnasium in Buch initiiert und ein weiteres Projekt der Hufeland-Schule begleitet. Im Februar 2012 veröffentlichten Rosemarie und Johanna Pumb >Ein Ort schweigt, die Geschichte der Krankenanstalten Berlin-Buch<. die="" publikation="" beruht="" auf="" der="" auswertung="" von="" etlichen="" bucher="" sterbeurkunden="" und="" weiterem="" umfangreichen="" archivmaterial="" des="" bundes-="" landesarchivs="" berlin="" wehrmachtsauskunftsstelle="" friedhofarchivs="" berlin-pankow="" kirchenarchiven="" hauptlandesarchivs="" mecklenburg="" bundesbeh="" f="" unterlagen="" staatsicherheit.=""></.>

Wie unverständlich ist heutzutage nicht nur die damalige, fast widerspruchslose Anpassung der Ärzte und des Pflegepersonals an die unmenschliche, durch kein Gesetz gestützte Forderung der NS-Regierung, „unwertes Leben“ auszusondern und zu töten. Das Leben von tausenden Bucher Patienten wurde durch sie willkürlich und vorsätzlich beendet. Hinter einigen Namen in den alten Aufnahmebüchern der Bucher Heil- und Pflegeanstalt (Landesarchiv Berlin) findet sich der Hinweis >verlegt auf höhere Anordnung< . Die „Verlegungen“ erfolgten in Tötungseinrichtungen. Wer sich hinter der „höheren Anordnung“ verbirgt, ist bis heute nicht geklärt.Während der DDR-Zeit war die NS-Vergangenheit der Bucher Krankenhäuser für die Staatssicherheit der DDR und die Berliner Staatsanwaltschaft ein Thema, das nicht in die Öffentlichkeit getragen wurde. (Unterlagen der BstU) Auf den guten Ruf der Bucher Kliniken sollte kein Schatten fallen. Die Bildhauer Silvia Fohrer und Rudolf Kaltenbach waren von den Geschehnissen in den Bucher Krankenanstalten während der NS-Zeit außerordentlich betroffen. Sie beschlossen, für die ungezählten Opfer ein öffentliches Mahnmal zu errichten. Es ist das erste Denkmal im Ort, das nach fast einem Menschenleben an die während der NS-Zeit verübten Verbrechen gegen die Menschlichkeit erinnern soll und gleichzeitig die Frage nach der eigenen Kraft zum Widerstand, sowie zur eigenen Bereitschaft, Schwächere zu schützen, an den Betrachter stellen möchte.